Meine alte Heimat liegt am Niederrhein, genauer beschrieben in Erkelenz. Seit 60 Jahren werden dort ganze Ortschaften weggebaggert um die darunterliegende Braunkohle zu verstromen. Zuletzt wurde Lützerath geräumt. Meine ganze Verwandtschaft, Großmutter, Großvater, Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins wurden umgesiedelt, verloren ihre Heimat. Friedhöfe, Kirchen, Schulen wurden abgerissen, jegliche Identität der Einwohner zerstört. Klar, es gab Geld und neue Häuser, irgendwo im nirgendwo. 60 Jahre Leid, dass in 2030 beendet werden soll, so verspricht es die jetzige Regierung. Jedem, der es hören oder nicht hören will, sage ich: Hätten wir in Baden-Württemberg in der Vergangenheit gehandelt und alternative Energiekonzepte umgesetzt, müssten wir Lützerath nicht abbaggern. Aber wir haben nicht!
Und dann lese ich, dass es im Schälzig Risse in einem Haus gegeben hat, weil die EnBW seismografische Untersuchungen für eine oder mehrere Geothermie-Anlagen durchführt. In den sozialen Medien ein gefundenes Fressen für alle Schwurbler und Verschwörungstheoretiker. Auch konservative Landespolitiker lassen nicht lange auf sich warten, um „dem Ärger Luft zu machen“. Klar, ihnen geht’s um die Fortführung des Betriebs von Atomkraftwerken. Warum auch immer, versstehen sie aber bei einer Nachfrage meist selbst nicht.
Richtig aber auch, die entstandenen Schäden durch Rütteltests sind bitter und unnötig und müssen bezahlt werden. Auch beim Neubau des Welde-Stammhauses in der Mannheimer Straße kam es zu solchen Schäden in unserem Haus. Sie wurden allesamt vom Bauunternehmen behoben. Wenn ich dann aber noch lesen muss, dass die Betroffenen überhaupt nichts von eventuellen Tests der EnBW gewusst hätten und wegen Weihnachtseinkäufen keine Infoveranstaltungen hätten besuchen können, dann möchte ich nochmal daran erinnern, welches Leid den Menschen am Niederrhein zugefügt wurde. Dazu kommt noch, dass nun in jeder Zeitung der Region, im Hörfunk und auch in den sozialen Medien über die Vorhaben der EnBW berichtet wurde.
Tiefen Geothermie ist wichtig, um CO2-freie Wärme für unser Fernwärmenetz bereitzustellen. Solche Kraftwerke haben genug Power, um die Wärme der Kohlekraftwerke zu großen Teilen zu ersetzen. 2030 gehen Kohlekraftwerke aus dem Leistungsbetrieb. Ich hoffe deshalb, dass die grüne Landesregierung die Genehmigungsverfahren für mehrere Geothermie-Kraftwerke zeitnah abschließt. Voraussetzung für solche Projekte ist jedoch immer, dass Bauwerke, Menschen und die Grundwasserversorgung optimal geschützt werden. Das ist nur dann möglich, wenn seismografisch alles genauestens untersucht wird. Mir ist ein Riss im Haus immer noch lieber, als der Abriss ganzer Dörfer!